Saturday, February 09, 2008

Zwei Tage mit allem

Wir sind da! Um 14.20 kam der Treck in Maurseth an, und die Überquerung der Hardangervidda in den Spuren von Roald Amundsen ist geschafft. Wir hatten Glück, haben aber auch innerhalb weniger Stunden gemerkt, dass Europas grösste Hochebene trotz perfekter Ausrüstung und GPS kein Zuckerschlecken ist. Puderschnee und knallharte Eispiste, blauer Himmel und Schneesturm, prachtvolle Farben und ein Grau, das keinen Unterschied macht zwischen Gelände . Wie Evy sagte: "Es passiert etwas in dir, wenn du schliesslich realisiert, dass du im Fjell ganz allein bist."

Der erste Tag hatte alle Zutaten einer arktischen Expedition: Die 46 km über den See hatten wir Wind und Regen im Rücken, und bei gutem Speed ging's bis Mogen. Dort wurden wir mit Kaffee und norwegischen Fladen begrüsst. Die Hunde hatten keinerlei Probleme, und auch wir ahnten nicht, dass dieser Tag so lang werden würde.
Nächste Etappe: Puderschnee, 300 Meter Höhenunterschied, kein Trail. Also knallharte Arbeit: Ich vorneweg, Evy auf Skiern hintendran. Auch die Hunde kamen ordentlich ins Schwitzen. Tiefschnee, tiefe Löcher, von oben keine Hilfe zu erwarten. Es war bewölkt und windig, glücklicherweise noch kein Schnee. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit zeigte sich die Vidda noch einmal von ihrer schönsten Seite. Lila, rosa, blaues Licht, es war wie Mondschein ohne Mond. Das unendliche Weiss des Schnees durchlief ständige Wechsel, es war der Kasten mit den Wasserfarben aus der Schulzeit. In solchen Augenblicken fühlt man sich winzigklein und riesengross - diese überwältigende Natur, auf die wir uns eingelassen hatten.
Die Freude währte nicht lange. Mit Einbruch der Dunkelheit kam der Schnee -von der Seite. Null Sicht, volle Konzentration auf den GPS.
Wir beide waren jetzt müde, und nach unseren Berechnungen lag Sandhaug noch gut eine Stunde entfernt. Die längste Stunde dieser Wanderung. Evy musste die Spur gehen, und für eine kurze Zeit verlor ich sie vor dem Schlitten. Das Tau hatte sich gelöst, ich begann zu rufen. Glücklicherweise war der Schrecken kurz. "Als wir endlich Sandhaug sahen - noch nie war ich so erleichtert, ich spürte eine kindliche Freude," sagt Evy später. Sie war an diesem Tag rund 110 km auf Skiern gelaufen, in meinen Augen eine Meisterleistung.
Aus dem geplanten Essen wurde nichts, ich versorgte die Hunde, öffneten eine Dose mit norwegischem Eintopf und krochen in die Koje. Beim Einschlafen dachte ich vor allem an den nächsten Tag: Würden Wind und Schnee uns auch morgen das Leben schwer machen?

Wir hatten Glück! Blauer Himmel und Sonnenschein begrüssten uns. Diese Landschaft ist ein Traum. Die Hardangervidda ist weit, aber immer wieder frischt ein Berg, eine einsame Hütte oder ein weites Tal mit einem zugefrorenen See den Blick auf. Es ist wunderschön!
Nachdem wir um 10.40 Uhr allein von Sandhaug aufgebrochen waren, trafen wir schon nach einer halben Stunde auf Alf Einar und Jarle. Mit seinem 16er-Gespann und einem Haufen Lokalkenntnissen war Alf Einar der richtige Mann zur richtigen Zeit. In weniger als vier Stunden hatten wir den 2. Teil unserer Expedition hinter uns, und dank der beiden Musher aus Westnorwegen war der Samstag um einiges leichter als der Vortag. Nur die letzte Etappe durch das Tal des Bjoreio war ziemlich schwierig, aber als wir den Weg durch den weichen Schnee gefunden hatten war das Abenteuer vorüber. Es war phantastisch!